Rundschreiben vom 23.09.2020  

Covid 19 in Südafrika       –        Informationen aus Südafrika

Liebe Freunde und Unterstützer des Freundeskreis Wakkerstroom e.V.,

vor zwei Monaten hatten wir schon über die Corona Pandemie und auch über deren Auswirkungen  am Kap der guten Hoffnung berichtet.

Leider ist es im Moment natürlich nicht möglich einmal vor Ort “nachzusehen” wie sich die Lage darstellt. Zum Glück erhalten wir viele wichtige und aktuelle Informationen durch unsere Freunde Marco Spalke (unser Vereinsmitglied und langjähriger Ansprechpartner bei 7de Laan), Johan Els (Schulleiter der Bonnievale High School), Zane Luremann (Lehrer an der Robertson High School) und Wilhelm de Wet (Vorstand bei der Jakes Gerwel Technical High School). Daraus ergibt sich ein umfassendes Bild der Lage am Kap, speziell auch dazu, wie es der Zielgruppe unseres Engagements – den Jugendlichen aus unterprivelgierten Familien – zur Zeit geht.

Zusätzlich konnten wir vor wenigen Tagen einen interessanten Bericht unter tagesschau.de im Netz finden.  Jana Genth vom ARD-Studio Johannesburg berichtete aktuell zu Corona am Kap und den alltäglichen Problemen für Schüler und Schulen und sie bestätigte in überwiegenden Teilen den Eindruck, den wir von den oben genannten Freunden übermittelt bekommen hatten. Der Bericht verdeutlicht auch die – gegenüber Deutschland – erschwerten Bedingungen des südafrikanischen Schulsystems und die daraus resultierenden langfristigen Folgen.

Diesen Bericht möchten wir unten ungekürzt an euch weiterleiten. Die Lektüre lohnt auf jeden Fall!

Immerhin hat in Südafrika gerade der kalendarische Frühling begonnen, was vielleicht einige Dinge leichter macht.

Leider erfahren wir von unseren Freunden, dass es durch die Einschränkungen der vergangenen Monate sehr vielen Menschen in der Region, insbesondere der farbigen Mehrheit, aktuell sehr schlecht geht.

Zwei Aussagen von Johan Els und Zane Luremann vom 22.09.2020 zur Situation an den Schulen und Hostels sprechen von Problemen, aber gejammert wird nicht. Ich verstehe es zumindest so: Es wird gemeinsam angepackt.

Johan Els:

Zu Corona: “In Bonnievale (Touch Wood) sieht es besser aus. Ab heute Morgen sind wir in Südafrika auf Level 1 zurückgesetzt. Nachts gibt es immer noch eine Ausgangssperre und internationale Reisen sind nicht erlaubt. Wir müssen immer noch Masken tragen, desinfizieren und die Sicherheitsbestimmungen von Covid befolgen. Die Sterblichkeitsrate ist relativ niedrig und die Genesungsrate in Südafrika liegt heute Morgen bei bis zu 89%. Die Schule ist immer noch zu 50% ausgelastet. In diesem Stadium denke ich, dass das große Problem in unseren Köpfen liegt. Die Lehrer zum Beispiel sind sehr müde. Sie arbeiten ab dem Beginn der Sperrung ohne Unterbrechung. Während der Sperrung mit elektronischen Klassen über Teams und nach der Sperrung von Level 4 bis jetzt mit Klassen bis zu 3 Uhr nachmittags und danach Klassen über WhatsApp und Teams. Ich kann die Spannung in der Schule spüren. Als Schulleiter ist es jetzt meine Aufgabe, die Moral hoch zu halten!”

“Wir sind uns der sogenannten zweiten Welle in Europa bewusst. Wir befürchten, dass sich das gleiche Szenario in Südafrika abspielen wird. Die Menschen in Südafrika sind ebenfalls ungeduldig und es mangelt jetzt insgesamt an Disziplin. Es ist sehr schwierig, alle Regeln in der Schule durchzusetzen, wenn die Bevölkerung im Alltag anders handelt.”

Zane Lureman:

“In Robertson und Südafrika wurden die Menschen aufgrund von Corona sehr hart getroffen, aber wir versuchen, das Beste aus einer schwierigen Situation zu machen. Unser Hostel (Internat) hat die meisten Probleme, da die meisten Lernenden im Hostel Kinder von Landarbeitern sind die Eltern der Schüler die Hostelgebühren größtenteils nicht mehr aufbringen können.

Die Weinfarmer in Südafrika und unserer Breede River Region leiden extrem unter den landesweiten Alkoholverbot und können daher seit fast 6 Monaten keinen Wein mehr verkaufen. Eine große Katastrophe, weil hierdurch auch sehr viele Einkommen der Farmarbeiter weggefallen oder viel geringer sind.”

Wir vom Freundeskreis Wakkerstroom e.V. versuchen mit unseren Möglichkeiten zu helfen, immer im Rahmen unserer Vereinssatzung. Eure Spendengelder und Patenschaften waren und sind die Grundlage unserer Möglichkeiten und unseres Handelns. Vielen Dank dafür.

Bitte bleibt uns auch weiterhin treu, denn wir haben uns für 2021 viel vorgenommen, dem Jahr unseres 10 jährigen Bestehens!

Bleibt alle gesund

Euer Albert

 

 

 

Es dürfte Jahre dauern, bis Südafrikas Bildungssystem die Folgen der Pandemie überwunden hat.                                                                                                   

Während die einen weiterlernen konnten, hatten andere weder Bücher noch regelmäßige Mahlzeiten.

 

 

Von Jana Genth, ARD-Studio Johannesburg

Seit gut zwei Wochen gehen die meisten Kinder in Südafrika wieder zur Schule. Die Abschlussklassen durften etwas früher zurückkehren. Für alle gelten strenge Hygiene-Regeln. Dennoch hat die südafrikanische Regierung Eltern freigestellt, ihre Kinder vorerst weiterhin zu Hause zu unterrichten.

Schließlich ist die Angst vor dem Coronavirus noch nicht gebannt. Vorangegangen waren Monate der Unsicherheit. Am 18. März schlossen die Schulen landesweit, am 1. Juni öffneten sie schrittweise wieder. Am 27. Juli wurden die Schulen wegen steigender Infektionszahlen erneut für vier Wochen geschlossen, allerdings nur die öffentlichen. Dass Privatschulen öffnen durften, wurde in der breiten Öffentlichkeit als Sinnbild der Spaltung der südafrikanischen Gesellschaft empfunden.

Die südafrikanische Menschenrechtskommission hat diese Entscheidung als bedauerlich und nicht zu rechtfertigen bezeichnet. In einer Erklärung hieß es, die Entscheidung bedeute, dass bis zum 24. August 2020 über 10 Millionen südafrikanische Kinder je nach Klassenstufe mehr als die Hälfte des Lehrstoffes oder 100 geplante Schulstunden verloren haben würden.

 

 

Im Juni öffneten Schulen in Südafrika wieder nach zwei Monaten Unterbrechung – auch die Winnie Mandela Secondary School im Township Tembisa.

Die Mängel sind groß und grundsätzlich

Die Gräben zwischen Arm und Reich sind auch 30 Jahre nach Ende der Apartheid tief – die Coronakrise zeigt das deutlich. Die Ungleichheiten im Bildungssystem sind sichtbar in der besseren Struktur der Privatschulen und dem Fehlen grundlegender Ausstattung in öffentlichen Schulen. Überfüllte Räume sind das eine – bis zu 80 Kinder sind in einer Klasse. Das andere sind fehlende Wasseranschlüsse und mangelhafte sanitäre Einrichtungen – auch in städtischen, vor allem aber in ländlichen Bildungseinrichtungen.

Dazu kommt: Viele Kinder aus armen Familien gehen schon nach der vierten Klasse von der Schule ab, um Geld zu verdienen. Vor allem Mädchen sind davon betroffen. Das Problem ist seit Jahren bekannt, geändert hat sich daran auch durch Covid-19 nichts.

Die südafrikanische Regierung hat den Lockdown genutzt und so manche Schule mit Toiletten und Waschbecken ausgestattet, aber nach wie vor nicht alle. Zusätzlich verschwanden Masken und Desinfektionsmittel, die an die Schulen hätten verteilt werden sollten – Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa hat diese Korruptionsskandale aufs Schärfte verurteilt.

 

 

Längst nicht jeder Schüler in Südafrika hat Zugang zu Büchern – und erst recht nicht zum Internet.

Schule bedeutet auch: regelmäßige Mahlzeiten

Die Schulschließungen gingen einher mit täglichen Herausforderungen. Über soziale Netzwerke oder per Videokonferenz zu unterrichten, war in vielen Schulen keine Option. Schließlich verfügt nicht jeder Haushalt über ein Smartphone oder einen Internetanschluss, auch zu Büchern hat nicht jedes Kind Zugang. Dazu kommt, dass vor allem in ländlichen und armen Gebieten die Schule mehr abdeckt als Bildung: Kinder bekommen dort Schulessen – für viele ist das die Hauptmahlzeit des Tages.

Seit die Schulen Ende August wieder öffneten, sind vielerorts weniger als ein Drittel der Kinder zurück in den Einrichtungen. Zu groß ist die Sorge vieler Eltern, Covid-19 könne sich in den Klassenräumen übertragen. Bildungsministerin Angie Motshekga geht davon aus, dass die Schülerinnen und Schüler in diesem Schuljahr nur 70 Prozent des ohnehin schon coronabedingt gekürzten Lehrplans abarbeiten werden. Die restlichen 30 Prozent werden ihr zufolge ins nächste Schuljahr übertragen. Was nicht geschafft wird, soll im Schuljahr 2022 fertig gestellt werden.

Kann der Rückstand aufgeholt werden?

Auch wenn die Regierung versuchte, unter Hochdruck die Lehrpläne anzupassen, auch wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk SABC über Radio und Fernsehen Lehrstoff vermittelte, sprach Motshekga im August von einem Desaster. “Für mich ist es besonders katastrophal, arme Kinder zu haben, die zu Hause keinen Zugang zu Büchern und Internet haben. Ich sehe das als Katastrophe. Das Wenige, das wir aufholen können, sollten wir auch nacharbeiten.”

Fakt ist: Das Schuljahr 2020 ist nicht verloren in Südafrika, aber drei Jahre lang werden die Folgen der Pandemie-Auflagen zu spüren sein. Die Abschlussklassen schreiben ihre Prüfungen später als ursprünglich geplant, und die Bewerbungsfristen für Hochschulen wurden auf 2021 ausgedehnt. Aus Regierungskreisen hieß es: Die Schulen noch länger geschlossen zu halten, hätte bedeutet, dass eine ganze Generation von Schulkindern Gefahr gelaufen wäre, einen grundlegenden Teil ihrer Bildung zu verlieren.

Die Zahl der Infektionen sinkt

Seit dem 24. August, also auch seitdem die Schulen wieder geöffnet haben, lag die Zahl der bestätigten Corona-Neuinfektionen in Südafrika täglich unter 2700. Der Anteil derjenigen, die nach einer Infektion wieder gesund sind, liegt trotz weiterer Lockerungen der Ausgangssperre bei 88 Prozent.

Gesundheitsminister Zweli Mkhize schrieb dennoch auf Twitter, das Schlimmste sei noch nicht vorbei, er mache sich Sorgen über ein Wiederaufflammen der Infektionen. Die Regierung hat von Beginn an klargemacht, sie werde je nach Infektionslage ihre Entscheidungen anpassen. Schulen in Südafrika planen das restliche Jahr folglich unter Vorbehalt.

 

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